Ornamente - mehr als nur Verzierungen
Ornamente - der verzierte Teppich
Ob moderner Designer-Teppich oder klassischer Perserteppich, überall stoßen wir auf Muster, und Verzierungen oder für mancherlei Empfinden auch auf Schnörkeleien. Kurz gesagt, wir stoßen auf Ornamente. Aber streng genommen sollten all diese Begriffe nicht miteinander vermengt werden. Denn ein Ornament, wie es etwa in pompösen Stuckarbeiten in einem herrschaftlichen Altbau vorkommt, sich über eine kostbare Tapete mit Goldmotiven oder etwa über einem handgeknüpften Perserteppich aus Teheran erstreckt, sollte nicht als bloße Dekoration bezeichnet oder abgetan werden.
Ornamente sind mehr, ihre Funktion geht weit über den Charakter der Verzierung hinaus. In der Regel steht ein Ornament nicht für sich. Vielmehr leben Ornamente von der Wiederholung, sie treten demnach in Gruppen oder Reihen auf, beziehungsweise sind Ornamente oft Teil einer Gruppe oder Reihe. Ein bisschen ist es wie bei Formationen, wie sie uns aus dem Bereich des Militärs, von Flugzeugen, aus geologischen Karten oder gar aus der Natur, beispielsweise von den Zugvögeln bekannt sind. Nicht der einzelne Zugvogel aus der Reihe der Vögel ist eine Formation für sich, sondern die Tiere bilden gemeinsam die Formation. Jeder einzelne Bestandteil der Formation ist wichtig, um überhaupt von dieser oder jener Formation sprechen zu können.
In Formationen werden ganz bestimmte Anordnungen gewählt, und dass zu einem ganz bestimmten Zweck. In einer geologischen Karte wird z.B. von Formationen gesprochen insofern, als dass verschiedene Gesteinsabfolgen gut voneinander erkennbar dargestellt sind. Die einzelnen Formationen in einem solchen Kartenwerk lassen sich wieder zu größeren Einheiten zusammenfassen und auf diese Weise wird Orientierung möglich.
Formationen oder besser gesagt Ornamente und sich wiederholende Grundelemente auf einem Teppich dienen im Normalfall natürlich nicht der Orientierung, aber auch hier werden Formen und Gruppen während der Teppich-Herstellung arrangiert, um einen Effekt zu erzielen.
Eine der Funktionen ist das bereits in unserem Artikel „Orient-Teppiche“ erwähnte Unendlichkeitsprinzip. Einzelne Grundmotive werden in einer Weise angeordnet und mit Hilfe farblicher Kontraste vom Hintergrund abgesetzt, so dass eine Art optische Täuschung entsteht. Der Betrachter des Teppichs gewinnt den Eindruck, dass sich die in Gruppen angeordneten Elemente, also die Muster und Ornamente über den Teppichrand hinaus erstrecken. Dieses Empfinden ist kein Zufall. Vielmehr führen Teppich-Designer und Kunsthandwerker der Orient-Teppich-Herstellung durchaus gewollt und ganz bewusst einen solchen Eindruck herbei. Harmonie und eine angenehme Stimmung können mit einem gut gemachten Teppich und seinem ausgewogenen Arrangement von Ornamenten erzeugt werden. Zudem suggerieren aufwendig entwickelte Muster, die etwa Endlosigkeit evozieren, ein Gefühl von Kostbarkeit. Meistens sind Ornamente von einem Bild zu unterscheiden. Denn ein Bild folgt in der Regel einem bestimmten Aufbauschema und besteht aus unterschiedlichen Ebenen und Bereichen, die sich vom Aufbau der Ornamente unterscheiden.
Ornamente bestehen wie bereits erwähnt oftmals aus Grundelementen. Diese Formen sind eher einfach gestaltet und werden mit ihresgleichen oder andren Formen zu einem Muster angeordnet, welches wiederum einfach oder besser gesagt abstrahiert gehalten ist. Diese abstrahierten oder abstrakten Muster sind immer wieder symbolisch zu verstehen. Der symbolische Gehalt von Ornamenten erschließt sich dem Betrachter oftmals nur aus dem Zusammenhang oder mit Hintergrundwissen. So muss vielleicht ein Ornament im Rahmen des Ganzen betrachtet werden, ebenso wie die Zugvögel nur in einer gewissen Anordnung als Formation zu verstehen sind.
Oder aber die Symbolfunktion von Ornamenten erschließt sich nur, wenn man etwas über Zeit und Ort der Entstehung des Bauwerks oder aber des Teppichs weiß.
Die Teppich-Herstellung bietet schöne und griffige Beispiele, um den Charakter von Ornamenten zu beschreiben. Neben dem Unendlichkeitsprinzip ist eine weitere Funktion von Ornamenten die oftmals deutliche Trennung von Vorder- und Hintergrund. Das Ornament und die Grundelemente werden kontrastreich vom Hintergrund abgesetzt. Beispiele dafür lassen sich auf kunsthandwerklichem Porzellan, in Kirchen oder an Hausfassaden der alten so genannten Patrizierhäuser finden. Dort heben sich die einzelnen Schmuckelemente der Muster und das Muster als ganzes vom Träger ab, demnach von der Wand, der Fassade oder der Vase. Beim ornamentenreichen Teppich verhält es sich nicht anders. Ganz gleich ob Blumenranken mit ausgearbeiteten Details oder abstrakte geometrische Formen, die Teppich-Ornamente stehen im Vordergrund und der Hintergrund wirkt wie ein Trägermaterial für die Muster.
Gängige Ornamente mit langer Tradition bei Perserteppichen oder Orient-Teppichen haben zum Beispiel der achteckige Stern, Rosetten oder verschiedene Kreuzformen.
Bordüren und Feldmotive
Ein weiteres ganz wesentliches Gestaltungsmoment der Teppiche aus dem einstigen Morgenland ist die Unterteilung der Motive in so genannte Feldmotive und Randmotive. Diese Bezeichnungen sind ganz wörtlich zu verstehen. Die Feldmotive sind in der Mitte und mitten auf dem Teppich angeordnet und die Randmotive finden sich auf Perser- und Orient-Teppichen im Randbereich der Teppiche. Oftmals im Wechsel werden unterschiedliche Motive nacheinander angeordnet und sie bilden den Abschluss des Teppichs zum Rand und den Teppichfransen hin. Die Randmotive sind ihrem Wesen nach eine Bordüre und im Teppichsegment generell wird der Randbereich oftmals als Bordüre oder auch Borte bezeichnet. Welcher Name auch immer, die Bordüre ist beim Teppich stets der Bereich hin zur Teppichkante und bei vielen Teppich-Modellen ist dieser Bereich verziert und mit farbigen oder unifarbenen Mustern und Ornamenten, zumindest aber vom Rest des Teppichs abgesetzt.
Ein bekanntes Motiv für den Randbereich beim Perserteppich wird mir Rand-Herati bezeichnet.
Dieser Teppichkante ist der Wechsel der Elemente des blühenden Zweiges, der Rosette und Blumen eigen. Ein weiteres Beispiel für eine bekannte Bordüre des persischen Orient-Teppichs ist das Boeth-Motiv. Boeth heißt auf persisch Mandel und eben die Form der Mandel wird im Randbereich des Teppichs fortlaufend angeordnet.
Auch im inneren Teppichbereich, im Bereich der Feldmotive, findet Boeth oftmals Anwendung. Ebenfalls häufig im Segment der Orient- beziehungsweise Perser-Teppiche anzufinden ist das Motiv namens Minah Chani. In diesem Muster wird aus vier Blumen ein Rechteck gebildet, in dessen Mitte eine weitere kleinere Blume angeordnet ist. Das Muster erinnert in seiner Gänze oftmals an eine Blumenwiese.
Neben den genannten Mustern gibt es zahlreiche weitere Muster aus verspielten komplexeren wie aus abstrakteren Formen.